Kongressbericht World Physio Congress 2025

Vom 29.-31. Mai 2025 fand im eindrucksvollen Tokyo International Forum der World Physiotherapy Kongress 2025 mit über 5.000 Teilnehmenden statt.

Bereits am Tag vor dem offiziellen Kongressbeginn trafen sich die Vertreter der IFOMPT Mitgliedsländer zu einem eintägigem IFOMPT Strategic Planing Day, bei dem wichtige Themen für die Zukunft der IFOMPT diskutiert wurden. Hier war Österreich war mit 2 Vertretern René Bakodi (IMTA) und Heimo Just (Kaltenborn/Evjenth) vertreten. Sehr viel drehte sich um das Thema Diversität/ Inklusivität, so wurde z. B. besprochen, wie die IFOMPT sich gegenüber Ländern des globalen Südens, die über kein Fortbildungsprogramm verfügen, das den hohen IFOMPT Qualitätskriterien entspricht, öffnen kann, um auch in diesen Regionen Therapeuten zu befähigen ihre Patienten mit hochwertiger Manueller und Muskuloskelettaler Therapie zu versorgen (ohne dabei auf Qualität zu verzichten). Ein Versuch dahingehend wird sein, regionale Kongresse abzuhalten. Der erste davon wird nächstes Jahr in Südafrika stattfinden.

IFOMPT Gruppenfoto

Diese Thematik zog sich dieses Jahr auch durch den ganzen Kongress, so waren bei vielen Themen Forscher aus Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen eingeladen, die jeweilige Problematik aus der Sicht ihrer Regionen zu schildern.

Interessante Unterschiede gab es da zum Beispiel beim Thema Hüftfrakturen nach Stürzen von älteren Personen. R. Gray (UK) konnte zeigen, dass in Großbritannien die Todesrate nach Stürzen um 2% gesenkt werden könnte, wenn 20% mehr Patienten als bisher (wie von den Guidelines empfohlen) am ersten Tag post OP  aus dem Bett mobilisiert werden. Als Kontrast dazu wurde ein Video von einer Therapeutin aus Nigeria eingespielt, die berichtete, dass 80% der tödlichen Stürze in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen passieren, hauptsächlich deswegen, weil die Patienten nach den Stürzen unbehandelt nach Hause geschickt werden.

Einen anderen spannenden Aspekt zum Thema Inklusion/ Gleichberechtigung brachte P. Goodwin (UK) ein: Er zeigte anhand einer Analyse von 42 Studien, dass durch die klassischen Ausschlusskriterien Alter, starkes Übergewicht, chronische Erkrankung, vorherige Erkrankung/ Operationen, Behinderung, fehlende Sprachkenntnisse und dergleichen, die eigentlich bei jedem guten RCT als Qualitätskriterium dazu gehören, ein größerer Teil der Bevölkerung in den Studien nicht erfasst wird.

Aus dem Bereich der Sportphysiotherapie wurde dem Thema Laufen viel Platz eingeräumt. Wichtigste Take-Home-Message war: „Laufen ist sicher für Arthose-Patienten!“ Bei einem Focused Symposium zeigten die Vortragenden J.-F. Esculier (Kanada), J. Whittaker (Kanada) und Y. Takata (Japan), dass Hobbyläufer im Vergleich zur nicht laufenden Bevölkerung eine niedrigere Prävalenz an Knie- und Hüftarthrosen haben. Noch beeindruckender war eine Studie an älteren Läufern: Gruppen von je 45 Läufern und Nicht-Läufern wurden verglichen. Nach 12 Jahren hatten in der Gruppe der Läufer 9 Teilnehmer eine Arthrose entwickelt, in der nicht Laufenden Vergleichsgruppe 17! Ein Laufprogramm für Patienten mit Arthrose und leichten bis mittelstarken Schmerzen brachte eine Verbesserung der Schmerzen, ohne dabei den Arthrosebefund zu verschlechtern.

Systematische Reviews werden in der evidenzbasierten Medizin sehr hochgeschätzt. N. K. Arora (Deutschland) zeigte jedoch am Beispiel Übungsempfehlung für Knieschmerz-Patienten, dass auch hier Vorsicht geboten ist. Von den 65 Reviews, die er für sein Review über systematic Reviews fand, waren 90% von schlechter Qualität. Die 8 hochqualitativen haben sich größtenteils auf die gleichen Studien bezogen, brachten also durch die Überlappung keinen zusätzlichen Wissensgewinn. Sein dringender Rat lautete daher: “Auch systematische Reviews kritisch hinterfragen!“

Weitere wichtige Erkenntnisse in Kurzform:

  • nach ACL-OPs ist die Auswirkung auf die Entnahmestelle des Implantats und sich daraus ergebende Folgen schlecht erforscht.
  • Manuelle Therapie: die Mobilisation des proximalen Tibiofibulargelekes nach dorsal bewirkt verglichen mit anderen Interventionen eine statistisch signifikante Verbesserung der dynamischen Balance und Beweglichkeit bei Patienten mit chronischer verletzungsbedingter Sprunggelenksinstabilität.
  • Schritte pro Tag (optimal wären ca. 7.000) sollten in die Guidelines für physische Aktivität aufgenommen werden, da sie leichter zu überprüfen sind (z.B. mit Smartwatch) als Angaben mit Minuten Aktivität pro Tag oder Woche.
  • Bei Patienten mit Behinderung sollte der Fokus nicht auf der „Normalisierung“ einzelner Körperfunktionen liegen, sondern darauf, neue kreative Möglichkeiten zu finden mit denen der Patient in seiner Umwelt agieren kann.
  • Es ist kosteneffekiver (sämtliche Kosten inklusive Therapie, Medikamente, Krankenstand u.v.m.) und bringt bessere Ergebnisse, wenn Patienten bereits bei Entlassung von der Trauma-Station einen konkreten Reha-Plan bekommen als wenn sie sich selbst um die weitere Therapie kümmern müssen.
  • Nackenschmerzen scheinen ein starker Prädiktor für Schwindelbeschwerden zu sein.
  • Versloot (Niederlande) konnte mit ihrer Studie bei Schulterschmerzpatienten zeigen, dass durchschnittlich 12 Einheiten Physiotherapie gegenüber Corticosteriodinfiltrationen bei Kontrolluntersuchungen nach 6, 9 und 12 Monaten statistisch signifikant überlegen waren. (Nur kurzfristig nach 6 Wochen schnitt die Infiltration besser ab.)
  • World Physio Präsident Michael Landry: „AI: Studenten wir wissen was ihr tut.“

Nach drei intensiven Tagen fand unser neuseeländischer IFOMPT-Kollege Dusty Quinn, der den Vorsitz bei dem letzten MSK-Block hatte, die passenden Abschlussworte: „My brain is full, so let´s quitt!“

Heimo Just, MSc