Dubai: 8. interdisziplinärer Low Back Pain Kongress

Vom 27.-31. Oktober 2013 fand in Dubai der 8. interdisziplinäre Low Back Pain Kongress statt.

 

Der internationale LBP Kongress mit ca 1000 TeilnehmerInnen hat eine interessante Begegnung mit Menschen aus anderen Kulturkreisen ermöglicht. Wir nutzten die Gelegenheit, um mit lokalen Physiotherapeuten über ihre Arbeit und ihr Arbeitsumfeld zu sprechen. Manuelle Therapie hat in den Arabischen Emiraten einen hohen Stellenwert. Aufgefallen sind uns zahlreiche Wirbelsäulenzentren in Dubai.

Der Kontakt zu Therapeuten und Ärzten aus anderen Ländern wurde auch durch offiziell organisierte Abendveranstaltungen gefördert.

Auch unsere kleine österreichische Gruppe nützte die Zeit regionale Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu diskutieren. Kleine gemeinsame Ausflüge waren auch auf dem Programm. Wir fuhren mit einem Geländewagen durch die Wüste, waren im Meer schwimmen und fuhren auf den Burj Khalifa (der höchste Turm weltweit).

Den folgenden Spruch findet man beim Eingang des Burj Khalifa. Er beschreibt Dubai mit seinen Wolkenkratzern, Einkaufszentren und der Inselpalme sehr gut.

His Highness Sheikh Mohammed bin Rashid Al Maktoum:

„The word impossible is not in the leaders` dictionaries. No matter how big the challenges, strong faith, determination and resolve will overcome them”

Zum Fachlichen:

Ein Schwerpunkt war dem Thema Beckengürtel-Schmerz (pelvic girdle pain – PGP) ge-widmet. Die Vortragenden betonten, dass es an der Zeit sei den Schmerz im  Beckengür-tel von seinem Schattendasein als eine unbedeutende Unterkategorie des Low Back Pains zu befreien und als eigenständige Schmerzregion zu betrachten.

Uneinigkeit herrschte unter den Vortragenden über die Häufigkeit der Schwangeren unter den PGP-Patienten. Während eine Expertin den Anteil der Schwangeren für so hoch betrachtete, dass sie für ihre Studie über PGP nur Schwangere einschloss, präsentierte ein anderer Autor eine Studie, in der das Verhältnis Männer zu Frauen 34:66 betrug und davon wiederum nur 4% schwanger waren.

Interessant waren die Studien gleich mehrerer Vortragenden, die nachwiesen, dass es sowohl in der PGP- als auch in den asymptomatischen Gruppen keinen Unterschied in der aktiven und automatischen Anspannung des Beckenbodens gab und daher das Beckenbodentraining bei dieser Patientengruppe in Frage stellten. Das Problem könnte eher sein, dass zu viel Spannung in der Beckenbodenmuskulatur besteht, daher könnte ein Therapieziel sein die Entspannung dieser Muskulatur zu fördern (diese Erkenntnisse decken sich übrigens mit den Aussagen, die wir letztes Jahr beim IFOMPT-Kongress in Quebec gehört haben).

Spannende Ergebnisse brachte ein Vortrag von M. Rade: Unter Bildgebung wurde bei gesunden Probanden die Bewegung des Rückenmarks im thorakolumbalen Bereich bei unilateralem und bilateralem SLR getestet. Die Autoren nehmen an, dass die Nervenwurzeln von L5 und S1 sich korrelierend zu der gemessenen Rückenmarksbewegung mitbewegen. Dabei zeigte sich bei 50° unilateralem SLR eine Bewegung der Nervenwurzel nach distal um durchschnittlich 2mm, bei bilateralem SLR hingegen 4,5mm.

In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass auch in Dubai die Autoren sich einig waren, dass der ASLR (aktiv straight leg raise) der wertvollste Test für das ISG ist.

Für die Autoren zukünftiger Studien interessant war die Präsentation einer Delphi-Studie von A. Gutke, in der Mindeststandards für zukünftige PGP Studien definiert wurden, die das Erstellen von Reviews erleichtern sollen (*).

Ein weiterer interessanter Aspekt war die Präsentation von H. Wagner, der  anschaulich zeigte, dass die verstärkte Lordose in den letzten Monaten der Schwangerschaft eine Erleichterung für die tiefen Rückenmuskeln bringt: durch die Schwerpunkt-Verschiebung, die durch den größer werdenden Bauch ausgelöst wird, verlängert sich der Lastarm der tiefen Rückenmuskeln, dies führt zu einer Überbeanspruchung dieser. Durch eine verstärkte Lordose kann der Lastarm wieder verkürzt und die Beanspruchung der lokalen Muskulatur reduziert werden.

Einer der Hauptvortragenden war Paul Hodges, der vor allem seine Arbeit am Thema Neuroplastizität bei chronischem Rückenschmerz  präsentiere. Eine wichtige Kernaussage war, dass man sich immer der Tatsache bewusst sein muss, dass die Ursache, die den Schmerz ausgelöst hat nicht jene Ursache sein muss, die den Schmerz bestehen lässt. Wichtig zu merken ist auch die Tatsache, dass jeder Patient anders auf eine morphologische Veränderung reagiert und Schmerz nur eine Möglichkeit von vielen ist, die dem Nervensystem zur Verfügung stehen.

Neben dem generellen Vermeiden von „gefährlichen“ Bewegungen – Stichwort „fear avoidence“ – ist eine weitere Möglichkeit  z. B. die Kokontraktion der Rücken und Bauchmuskulatur. Patienten verlieren dadurch die Vielfältigkeit der komplexen Rückenmuskulatur – vergleichbar mit der Unterarmmuskulatur, die die Finger nicht mehr selektiv steuern kann.Wichtig ist dabei, dass man sich der Veränderungen im aber auch abseits des Muskuloskelettalen Systems bewusst ist, die dadurch ausgelöst werden. So haben Patienten, die die Bauchmuskulatur länger als nötig anspannen, laut Hodges ein höheres Verletzungsrisiko.

Paul Hodges mit dem OEGOMT Team Ingrid Brauchart, Lydia Stelzer, Heimo Just u. Eva Porges

(*):

A minimal core set for definition of PGP in clinical studies will include:

– pain location by pain drawing

– posterior pain provocation by the posterior pelvic pain provocation test (P4 test)

– anterior pain provocation by palpation of the symphysis

– severity scores by the ASLR test

A minimal core set of outcome measures in studies of PGP will include:

– pain intensity: Numeric Rating Scale (NRS) for „worst pain“ and „mean pain“ during the latest 48 hours

– disability: Pelvic Girdle Questionare (PGQ) and/or Oswestry Disability Index (ODI)

– Health-Related Quality of Life (HRQL): Wellbing NRS

– work ability: one question from Workability Index i.e. „Current work ability compared with the lifetime best“

– global perceived effect scale