Kongressbericht San Antonio

Clinical Reasoning: The Science, Skills and Value of OMPT
 
2014 Conference of American Academy of Orthopedic Manipulative Physical Therapists vom 24. – 26.10.2014 in San Antonio, USA
 
Die heurige Jahreskongress der amerikanischen Manualtherapie – Gesellschaft mit dem Titel „Clinical Reasoning: The Science, Skills and Value of OMPT“ verhieß eine spannende Veranstaltung zu werden. Standen doch so klingende Referentennamen wie Darren Rivett, Laurie Hartmann, Michael Shacklock, Linda Woodhouse oder Chad Cook auf der Rednerliste. Knapp 700 Teilnehmer drängten sich in einem großen Hotel in San Antonio, das auf geschichtsträchtigem Boden steht. „The Alamo“ ist eine zum Fort ausgebaute ehemalige Missionsstation in der texanischen Stadt San Antonio und war das Zentrum des texanischen Unabhängigkeitskrieges im 19 Jhd.
 
Der Clinical Reasoning Approach stand dann auch während der ganzen Veranstaltung im Mittelpunkt des Interesses. Die gesamte Veranstaltung war gekennzeichnet durch Impulsreferate, die den Clinical Reasoning Prozess aus verschiedensten Blickwinkeln beleuchteten.
 
Darren Rivett, einer der Pioniere auf dem Gebiet beschrieb in einem sehr guten Vortrag das Zusammenspiel der drei klinischen Schlüsselfertigkeiten, der technischen Fähigkeit, der Kommunikationsfähigkeit und dem Wissenspart im klinischen Untersuchungsprozess. Rivett betonte aber auch besonders, dass man nicht auf das Erfahrungswissen des Therapeuten und auf die Einzigartigkeit jedes einzelnen Patienten vergessen sollte!
 
Laurie Hartmann, einer der bekanntesten Osteopathen und Associate Professor der British School of Osteopathy hielt ein Keynote Referat zum Thema Manipulation und zeigte dabei live eine Menge von Manipulationen unter anderem der Halswirbelsäule, die durch ihren rotatorischen Charakter Anlass zu Diskussionen war.
 
Eine sehr gelungene Präsentationsform stellt eine Panel Diskussion dar, in der alle Keynote-Referenten eine angeregte Diskussion über die Einsatzbreite des klassischen
Clinical Reasoning Prozesses führten. Hier stellte sich sehr schnell heraus, dass ein strukturierter Untersuchungs- und Reflexionsprozess eine unbedingte Notwendigkeit ist. Eine besondere Herausforderung stellt die rasche Halbwertszeit des medizinischen Wissens und die Schwierigkeit mit inhomogenen Patientenkollektiven in der physiotherapeutischen Forschung dar.
 
Chad Cook präsentierte in einem ausgezeichneten Referat den Ablauf des „Clinical decision making process“, der klinischen Entscheidungsfindung und zeigt, dass Erfahrungswissen aus dem täglichen Handeln und die Reflexion des aktuellen Wissens aus der Literatur zusammengehören. Er beschreibt dabei zwei Systeme des klinischen Denkens, ein System 1, das automatisch, schnell und via Erfahrung geschieht im Gegensatz zum System 2, das langsam, rational, logisch und analytisch funktioniert.
 
In der darauffolgenden Paneldiskussion debattierten die Referenten und das Publikum zur Frage „When Clinical decision overrules the Evidence“. Evidenz in der Physio- und Manualtherapie wird zwar täglich mehr, aber die methodischen Schwierigkeiten mit der Durchführung von Studien auf höchstem wissenschaftlichen Level (RCT, doppelblind) sind sehr groß. Viele Daten aus den klinischen Untersuchungen können oft nur sehr eingeschränkt auf ein vorhandenes klinisches Bild eines speziellen Patienten übertragen werden.
 
Bemerkenswert war ein Referat von Linda Woodhouse, einer kanadischen Manualtherapeutin, die sehr spannend über den First Contact Status in Kanada und dem Weg dorthin referierte. Kanada könnte Österreich hier als Vorbild dienen, legte Linda Woodhouse doch den Focus auf die ökonomischen Auswirkungen von manualtherapeutischer Forschung. Sie brach außerdem eine Lanze für die Beteiligung sehr gut ausgebildeter ManualtherapeutInnen in der Triage von Patienten in der Primary Care und die Outcome Messung bei physiotherapeutischer Behandlung sowohl in Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen u n d der freien Praxis. Sie beschreibt dies als einen zentralen Punkt in der Weiterentwicklung des Berufes. Die Planung von Gesundheitsdienstleistungen, im speziellen manualtherapeutischer oder physiotherapeutischer Leistungen kann nur mit Hilfe von aussagekräftigen Daten über Kompetenz und Leistungsfähigkeit der Physiotherapeuten durchgeführt werden!
 
In Breakout Sessions, dies sind einstündige workshop-ähnliche Präsentationen, stellten so namhafte Referenten wie Michael Shacklock, Michelle Layton und Tim Flynn ihr Wissen und Knowhow zur Verfügung. Diese sehr praxisorientierten und interaktiven Vorstellungen regten alle Teilnehmer zu einem intensiven Meinungsaustausch an. Die Themen waren sehr vielfältig und lagen im Spektrum zwischen „Differential Diagnosis oft the Cervical Spine“ bis zum „Dry Needling“.
 
Eine Posterpräsentation und eine Menge von kurzen Referaten zu aktuellen Forschungsinhalten rundeten diese sehr gelungene und intensive Veranstaltung ab.
Zusammenfassend muss man sagen, dass die Qualität der Veranstaltung jedenfalls die lange Anreise wert war. Die Herzlichkeit und Aufmerksamkeit der amerikanischen Gastgeber war bemerkenswert. In diesem Klima waren ausgiebige fachliche Diskussionen sehr einfach und es war nicht schwierig amerikanische Manualtherapeuten kennenzulernen. Man kann sich eine solche Offenheit in Österreich nur wünschen.
 
Rudolf Raschhofer